Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen

"Integration von Maßnahmen in übergeordnete Handlungskonzepte" (FE 70.692/2002)

Projektbeschreibung:

Ein wesentlicher Bestandteil einer arbeitsteiligen und fortgeschrittenen Gesellschaft ist die Mobilität. Mobilität umschreibt die Teilnahmechancen aller Bürger an wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Vermittlungsprozessen, an Reproduktionsangeboten sowie die wirtschaftlichen Austauschprozesse von Rohstoffen, Rohprodukten, Produkten, Leistungen und Informationen. Die Mobilität wiederum führt durch die Realisierung von Ortsveränderungen in verschiedensten Ausprägungen zu Verkehr.

In den heutigen Industrienationen ist dieser Verkehr besonders als Verkehrsleistung im motorisierten Straßenverkehr spürbar. Die Verkehrsentwicklung in den letzten Jahren ist durch eine stetige Zunahme dieser Verkehrsleistungen geprägt, die vielfältige Ursachen haben. Neben der wirtschaftlichen Entwicklung, die eine Steigerung des allgemeinen Wohlstandes zur Folge hatte, den sinkenden realen Aufwendungen für die Raumüberwindung oder der Steigerung des zur Verfügung stehenden Zeitbudgets für Freizeitbeschäftigungen, sind die Entwicklung der Siedlungsstrukturen ein Hauptgrund für die stetigen Zunahmen der motorisierten Verkehrsleistungen.

Die Verkehrsentwicklung und die Entwicklung der Siedlungsstrukturen erfolgen dabei nicht unabhängig voneinander, sondern zwischen beiden Entwicklungsprozessen bestehen enge und vielfältig vernetzte Wechselwirkungen. Siedlungsstrukturen stellen mit der Art und Intensität ihrer Flächennutzungen ein Angebot dar, das eine bestimmte Verkehrsnachfrage hervorruft. Die Ausprägung der Verkehrsnachfrage wird durch das vorhandene Verkehrsangebot, d.h. die Erschließung der Siedlungsflächen, bestimmt. Für die Entwicklung der Erschließungsformen hat insbesondere die stetige Zunahme der privaten Motorisierung eine wesentliche Rolle gespielt. Das vorhandene Verkehrsangebot wurde größtenteils an die Entwicklung der motorisierten Verkehrsleistungen angepasst.

Diese Entwicklung führte im Bereich der Siedlungsentwicklung u.a. zu einer stetigen Auflösung und Entmischung der Nutzungen, da durch einen hohen Motorisierungsgrad der Bevölkerung und die gleichzeitig steigenden Reisegeschwindigkeiten bei vergleichbaren Zeitbudgets auch weiter abgelegene Standorte erreicht werden können. Der damit verbundene Prozess der Siedlungsdispersion und der Funktionstrennung hat wiederum seinerseits zur Steigerung der Verkehrsleistungen im motorisierten Verkehr beigetragen.

Gefördert werden bei Entwicklungen weiterhin durch die Tatsache, dass sowohl die Unternehmen als auch private Haushalte aufgrund vergleichsweise marginaler Aufwendungen für die Raumüberwindungsleistung ihre Entscheidungen im Bezug auf die Standortwahl an anderen Gesichtspunkten, wie etwa Lohnstückkosten, Bodenpreise, Umfeldqualität, Kultur- und Freizeitangebote ausrichten können. Die Erreichbarkeit als dominante oder determinierende Größe für Standortentscheidungen hat ausgedient! Dieser Prozess wird durch die Nutzung elektronsicher Medien, die Digitalisierung von Produkten und Informationen und die Immaterialisierung von Transportvorgängen und Austauschprozessen weiter verstärkt. Es steigt die ubiquitäre Erreichbarkeit.

Diese Entwicklung führt zu vielfältigen ökonomischen, sozialen und ökologischen Problemen. Um dieser Entwicklung - und damit verbundnen den negativen Folgeerscheinungen - vor dem Hintergrund der nachhaltigen Entwicklung entgegen zu wirken bzw. diese einzudämmen, wurden in der Theorie und Praxis der Stadt- und Regionalplanung in den vergangenen Jahren verschiedenste Handlungskonzepte entwickelt und gefördert. Besonders siedlungsstrukturelle Konzepte, wie die restriktive Ausweisung von Bauland, die Innenentwicklung (Nutzung von innerstädtischen Brachen und Konversionsflächen), die angestrebte Nutzungsmischung bzw. Multifunktionalität, die dezentrale Konzentration, die Förderung polyzentraler Siedlungsstrukturen oder die geforderte Kompaktheit von Siedlungsstrukturen und somit die "Stadt bzw. die Region der kurzen Wege" stehen hierbei im Vordergrund. Dabei wird mit diesen siedlungsstrukturellen Handlungsansätzen die Intention verbunden, einerseits die motorisierten Verkehrsleistungen zu verringern oder zumindest eine Stagnation in der Entwicklung zu erreichen und andererseits durch die Ausbildung kompakter Siedlungsstrukturen den Umweltverbund in die Lage zu versetzen, attraktive und wirtschaftlich tragfähige Verkehrsangebote zu entwickeln.

Zielsetzung:

Die unterschiedlichen Handlungskonzepte sind in der Vergangenheit häufig kontrovers diskutiert worden. Diskussionen, Studien und erste praktische Untersuchungen lassen mittlerweile konkrete Zielsetzungen und zu erwartende Auswirkungen, die mit diesen Handlungsansätzen verbunden sind, erkennen. Erste Umsetzungsbeispiele in einzelnen Regionen und Gemeinden zeigen auch teilweise Erfolge hinsichtlich der Verringerung der motorisierten Verkehrsleistungen auf.

Doch auch wenn die Siedlungsstrukturen eindeutigen Einfluss auf das Verkehrsaufkommen haben, wird deutlich, dass weitere Einflussgrößen die Verkehrsnachfrage bestimmen. Daher ist es unausweichlich, neben der Umsetzung siedlungsstruktureller Handlungskonzepte auch weitere, die Ansätze flankierende Maßnahmen zu ergreifen, um das Potential der Verkehrsvermeidung und der Verkehrsverlagerung durch siedlungsstrukturelle Maßnahmen aktivieren zu können. Dies wurde in der Vergangenheit nicht immer konsequent verfolgt, so dass diese Konzepte nur begrenzt wirksam sind. Durch die fehlende Berücksichtigung weiterer für die Verkehrsnachfrage wesentlicher Rahmenbedingungen bei der Stadt- und Raumplanung stehen die siedlungsstrukturellen Handlungskonzepte teilweise erheblich in der Kritik und werden häufig als "planerische Utopie" bezeichnet.

Wesentliche Forderung zur Erhöhung der Wirksamkeit solcher Konzepte ist daher die Zusammenführung der Raumplanung (Stadt-, Regional- und Landesplanung) und der Verkehrsplanung in eine integrierte Gesamtplanung. Nur durch die Berücksichtigung sämtlicher relevanter Einflussfaktoren auf die Verkehrsnachfrage können für die zielgerichtete und erfolgreiche Umsetzung der siedlungsstrukturellen Handlungsansätze die notwendigen - auch flankierenden - Maßnahmen oder Maßnahmenbündel für den jeweiligen Planungsraum entwickelt und gestaltet werden.

Trotz der langjährigen Diskussion dieser Handlungskonzepte und der ansatzweise umgesetzten integrierten Siedlungs- und Verkehrsentwicklungsplanung in einzelnen Regionen und Gemeinden, liegen derzeit keine absolut gesicherten Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Siedlungsstrukturkonzepte und Verkehrsentwicklung vor. Einzelne Fallbeispiele lassen jedoch Tendenzen erkennen, die die Möglichkeiten der Beeinflussung des Verkehrsaufkommens durch die Siedlungsstruktur aufzeigen und somit die häufig aufgestellten Plausibilitätsüberlegungen stützen. Eine Quantifizierung dieser Beeinflussung ist aus verschiedensten Gründen derzeit nicht möglich. Zum einen fehlen empirische Erkenntnisse über die unmittelbare Wirkungen verschiedener Handlungskonzepte und zu den damit verbundenen Maßnahmen. Zum anderen fehlen aber insbesondere operationalisierbare Indikatoren der Verkehrsentstehung und der Verkehrsvermeidung durch Siedlungsstrukturkonzepte, die eine konkrete Umsetzung solcher Handlungskonzepte einschließlich der damit verbundenen notwendigen Wirkungskontrolle ermöglichen.

Gelingt eine Operationalisierung der Verkehrsvermeidungs- und -verlagerungseffekte, können weitere Einflussgrößen hinsichtlich ihrer Effizienzsteigerung der übergeordneten Handlungskonzepte untersucht werden. Denn nur eine Berücksichtigung der Rahmenbedingungen und eine auf die wesentlichen Einflussgrößen ausgerichtete Umsetzung der siedlungsstrukturellen Handlungsansätze können einen möglichst hohen Realisierungsgrad des vorhandenen Potentials der Verkehrsvermeidung und Verlagerung erzielen.

Das Hauptziel dieser Untersuchung ist es daher, Indikatoren der siedlungsstrukturell bedingten Verkehrsnachfrage zu ermitteln bzw. abzuleiten. Aufbauend auf diesen Indikatoren soll die Identifizierung der Wirksamkeit von "harten" und "weichen" Maßnahmen im Rahmen der Handlungskonzepte gelingen, die durch ihre Integration in die übergeordneten Konzepte das Verkehrsvermeidungspotential von Siedlungsstrukturen erhöhen und die Realisierung dieses Potentials ermöglichen.

Ziel der Operationalisierung der möglichen Verkehrsvermeidungseffekte, der Ermittlung der Wechselwirkungen von flankierenden "harten" und insbesondere "weichen" Maßnahmen und der Berücksichtigung der Auswirkungen äußerer Rahmenbedingungen auf die Siedlungsstruktur- und Verkehrsentwicklung ist es, die vielfältigen Maßnahmen und Maßnahmenbündel im Rahmen der Siedlungs- und Verkehrsplanung zu einem Handlungskonzept zu verknüpfen bzw. zur Umsetzung bestehender Handlungskonzepte mit ziel- und sachgerechten Maßnahmen bzw. Maßnahmenbündeln beizutragen. Die Handlungskonzepte müssen dabei auf bestehende siedlungsstrukturelle Entwicklungstrends aufsetzen und sie sollen durch flankierende Maßnahmen eine hohe verkehrsreduzierende Wirkung entfalten.

Ansprechpartner: svpt[at]uni-wuppertal.de

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